Das BewegungsLernen – damit für das Pferd aus „Spielräumen“ „Freiräume“ werden können
Das gemeinsame Zusammenleben zwischen Mensch und Pferd ist genau betrachtet, viel eher eine Verhaltenswissenschaft von beiden und mit beiden –vor allem deshalb, weil das Leben des Pferdes mehr sein sollte, als ein Funktionieren beim Reiten – und so auch das natürliche Verhalten des Pferdes die Trainingsmethoden bestimmen sollte.
Erstaunlicherweise wird sich viel zu wenig gefragt, was man dafür tun kann, um dem Pferd zu helfen damit es UNS besser verstehen und mit unserer komplexen und ganz oft sehr irritierenden Gesellschaft zurecht kommen kann. Wie oft artet das Ganze in ein simples Kräftemessen aus, mit dem einzigen Ziel, das Trainingsziel auf Biegen und Brechen durchzusetzen.
Leider sind Pferde häufig nicht ausreichend auf das vorbereitet, was sie in einer bewegungsarmen, leistungsbezogenen Welt erwartet, in der sie einen Menschen auf dem Rücken haben. Denn oftmals soll ein stark überfordertes Pferd von einem noch stärker überforderten Menschen geritten werden. Und auch wenn veraltete Trainingsformen vielleicht spielerisch und sanft vermittelt werden, sollen Pferde trotzdem nach dem gleichen Prinzip lernen – der Mensch sagt, und das Pferd tut – ungeachtet ihres Charakters, ihrer Mentalität und Sensibilität, und ungeachtet dessen, das ein Bewegungstier wie das Pferd, mit starren Systemen und isolierten Körperteilen nicht oder nur kurzfristig klarkommen kann.
Beim BewegungsLernen handelt es sich deshalb um eine an der Bewegungsnatur des Pferdes orientierten Vorgehensweise – die Sie erlernen sollen. Das bedeutet für Sie zunächst einmal sehr viel Beschäftigung mit sich selbst, bei der wir Sie in den Körperseminaren unterstützen und begleiten, um sich von vertrauten Denkstrukturen, Bewegungsklischees und von Gewohnheits-Bewegungsmustern zu verabschieden.
Das Pferd kann ja seine Bewegungen nicht unterscheiden zwischen Reitschule, Training und Koppelgang – für das Pferd geht es immer um die Interaktion mit den Lebewesen, das um ihn herum ist. Deshalb soll der eigene Mensch diese Verbindung erlernen, damit sie im gemeinsamen Alltag bestimmend wird – und nicht nur im Reitunterricht.
Ganz schnell merken wir, das das Pferd Anschluss sucht – denn für das Pferd bedeutet das Spiel mit dem Menschen, das es seine Potenziale entfalten kann und seine Lebendigkeit erfahren kann. Das Pferd entdeckt, wie sein Atemmechanismus unter uns zu Hochform auflaufen kann, wie das gemeinsame Bewegen auch ein gemeinsames Spiel mit der Schwer- und Fliehkraft werden kann und sich damit Spielräume zu Freiräumen öffnen können.
Das Körperprinzip
Das Grundprinzip des BewegungsLernens besteht aus einem Wechselspiel von Spannung und Entspannung – und von Flexion und Extension, im Körper von Mensch und Pferd (sowohl Spannung als auch Dehnung würde den Bewegungsfluss stören) und fokussiert damit den minimalen Kraftaufwand auf die gemeinsame Bewegung zwischen Mensch und Pferd.
Wer im Alltag beweglich ist und Körpergefühl hat, ist es auch beim Pferd
Das BewegungsLernen fördert durch das innere Körpergefühl des Menschen und der Eigenwahrnehmung des Pferdes das Erspüren/Erkennen von Bewegungsansätzen und –zusammenhängen und den Bewegungsaustausch. Mit dem Pferd eine kontinuierliche Verbindung aufzunehmen, das ist die natürliche Voraussetzung, um Bewegungsinformationen über den Pferdekörper zu erhalten und sich mit ihm austauschen zu können. Deshalb ist es für den Menschen zunächst wichtig, sich selbst zu spüren, Körpergefühl zu entwickeln und sich zu zentrieren.
Über das individuelle Ausprobieren gezielter Bewegungsimpulse (die sich an den Primitivreflexen orientieren, schafft es dann diese Verbindung vom Mensch zum Pferd auch zu einem gemeinsamen Bewegungsfluss zwischen beiden. Das BewegungsLernen wird dabei als Hilfestellung benutzt( durch die verschiedenen Bewegungsseminare mit den unterschiedlichen Schwerpunkten), um das eigene Bewegungsspektrum zu erweitern, die natürlichen Bewegungen des Pferdes weiter zu entwickeln und dabei Bewegungsklischees zu überwinden.
Neben dem persönlichen, körperlichen Prozess des Menschen, stehen dabei der körperliche Prozess des Pferdes und seine alltägliche Bewegungen und erfahrene Bewegungen im Vordergrund um sie in eine Handlung umzusetzen, die als Thema das Reiten hat. Das Ziel ist dabei nicht eine Bewegungstherapie, sondern den Entwicklungsprozess von Bewegungen aufzunehmen, zu vertiefen und zu gestalten (das Bewegungsseminar „die Bewegungsgestaltung“).
„Jeder Körper hat das Begehren, auf dem kürzesten Weg nach unten zum Zentrum zu kommen; und wo das größere Gewicht ist, ist das größte Begehren.“ Leonardo da Vinci
Der Pferdekörper, aber auch der Menschenkörper ist den physikalischen Naturkräften wie der Schwerkraft und der Fliehkraft ausgesetzt. Beide können denen entweder mit stetigem Krafttraining der Muskulaturen widerstehen, oder sich auf ein neuromuskuläres Spiel einlassen, bei dem z.B. die stützende Funktion des Skelettes durch Aufrichtung entgegen wirkt.
Alle „Vorarbeiten“ beim Pferd und Mensch zielen deshalb auf das Verständnis der „gemeinsamen“ Bewegung zum Reiten ab. Vor allem die koordinierten Bewegungen des Pferdes (im Bewegungsseminar „der Bewegungsaufbau“) beeinflussen das Verständnis für die Bewegungen des Pferdes. So sind in diesem Seminar die Bewegungsabläufe im Raum vorherrschend, die mit dem Gleichgewicht, Schwerkraft und Fliehkraft spielen.
Wichtige zugrunde liegende Ideen im BewegungsLernen sind:
- Jeder Mensch ist einzigartig in seinem Bewegungspotenzial
- Jedes Pferd ist einzigartig in seinem Bewegungspotenzial
- Die Quellen für die Bewegungen liegen jeweils im eigenen Körper
- Die innere Bewegung durch Flexion und Extension suchen
- Das BewegungsLernen bewegt das Alltägliche und das Natürliche
- Das Reiten ist der Ausdruck von Mensch und Pferd, geformt durch beide Lebensgeschichten
Warum die biomotorische Vorarbeit viel wichtiger zum Reiten ist als Krafttraining und Muskelarbeit
Anders wie in der klassischen Reiterei, die auf die möglichst perfekte Ausführung von Bewegungen des Pferdes ausgerichtet ist, stellt das BewegungsLernen den Bewegungsprozess in den Mittelpunkt. Nicht die Ausführung von exakten reiterlichen Übungen ist entscheidend, sondern das Fließen, das Einleiten und der weiche Übergang der gemeinsamen Bewegungen. Dabei sind weder die Fähigkeiten des Pferdes noch die des Reiters ausschlaggebend, sondern das gemeinsame Zusammenspiel von beiden.
Das Biomotorische Reiten folgt damit anderen Spielregeln: die gemeinsame Bewegung, entsteht durch kontinuierliches Gewichtabgeben im Schwerpunkt von Pferd und Mensch. Dazu braucht es Vertrauen von Mensch und Pferd in die gemeinsame Bewegung, eine gemeinsame Richtung oder ein Impuls. Das bedeutet aber auch, wenn eine Bewegungsfolge nicht funktioniert, eine Bewegung nicht krampfhaft erzwingen zu wollen. Die Disziplin beim BewegungsLernen besteht darin, mit dem Pferd präsent zu sein. Höchst aufmerksam für sich selbst und das Pferd zu sein, das Pferd annehmen, wie es tatsächlich gerade ist – und nicht korrigieren zu wollen, so wie wir es möchten. Das Bewegungslernen lehrt Sie, dem Bewegungsfluss zu vertrauen, Konzepte loszulassen und die unerschöpflich reichen Möglichkeiten wahrzunehmen, die das Pferd gerade anbietet.
Die Absicht des Menschen, offen für die Bewegungen des Pferdes zu sein (absichtslos)bestimmt die Qualität des gemeinsamen Duettes, die in jedem Moment des Reitens spontanes Annehmen, Gestaltung und Veränderung der Bewegungen zulässt. Das Ziel des Biomotorischen Reiten ist mit dem Pferd jeweils den Weg des geringsten Widerstandes zu finden, damit das Reiten zu einem fließenden Geschehen und zu einer Wechselwirkung der Bewegung zwischen Mensch und Pferd werden kann
Die Herausforderung beim Biomotorischen Reiten besteht darin, die Fülle an Bewegungen im Vorfeld zu erzeugen, und nicht schon beim Reiten die endgültige Form einzufordern. Die dominierende Rolle des Reiters wird durch ein gegenseitiges Miteinander ersetzt. Die Sensibilität für das Pferd steht dabei natürlicherweise immer im Vordergrund. Das BewegungLernen ermöglicht es uns, das Pferd so zu unterstützen, dass es sich selbst in seinem Bewegungsverhalten verändert. Und – eine Bewegungs- und Verhaltensänderung geht immer parallel – auch beim Pferd.