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und Sensopathie von Roland Pausch

Warum es beim Reiten nicht ums Reiten geht

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Die Wirkung des Menschenkörpers auf das Pferd wird viel zu unbedeutend eingeschätzt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Pferdkörper abhängig ist von der Wirkung, die wir auf das Pferd haben(in erster Linie körperlich – nicht nur mental). Und das ist es wert, sie einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Wie intensiv die Wirkung des Menschen ist und wie aus einer kleinen Wirkung ganz schnell eine Einwirkung und sogar ein massiver Eingriff in das Körpersystem des Pferdes werden kann, sehen Sie an folgendem kleinen Experiment:

Setzen Sie sich vor einen anderen Menschen und legen sie beide Hände an den Kopf des anderen. Wiegen Sie vorsichtig dessen Kopf zu den Seiten und schauen ihm dabei in die Augen.
Sie merken sehr schnell die große Verantwortung dem anderen gegenüber, und sie spüren wie sehr sie beide kooperieren müssen. Jede ruckartige oder große Bewegung würde der andere empfindlich spüren.

Die Reaktion des Pferdekörpers auf Belastung

Das Thema unserer nächsten Körperschulungen wird der optimal ausbalancierte Reitersitz sein. Besser gesagt die Position auf dem Pferd, die ein Zusammenfließen von Pferdekörper und Menschenkörper verlangt und deshalb immer Hand in Hand mit einer Vorbereitung des Körpers gehen muss.

Ihre Bewegungsfähigkeit

Je öfter der Reiter die benötigte Bewegungsfähigkeit in seinem Alltagsrepertoire ausführen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der selbstverständlichen, unbewussten und durchlässigen Bewegung. Dann allerdings kann der Reiter sehr schnell die Erfahrung machen, dass das Erlernen der eigentlichen Reittechnik um vieles schneller erreichbar ist, wenn man seine eigene Muskulatur in jeder Situation gelöst behalten kann, um sie auf diese Weise für Empfindungen bereiter zu machen –und um das Pferd besser in seinem Körper zu verstehen.

Ohne Zweifel kommt deshalb dem Sitz, in Verbindung mit dem Körper des Menschen die wichtigste Aufgabe zu. Denn die „richtige“ Wirkung auf dem Pferd beruht ja nur auf den Gesetzen der Körper, mit denen – und nur mit denen, eine freiwillige Verbindung mit dem Pferd möglich ist – anders ist diese Gemeinsamkeit nicht zu erreichen.

Die „ruhige Hand“

Eine „ruhige Hand“ hängt zum Beispiel mit der Bewegungsfähigkeit des Rumpfes, der Rippen und der Schultern zusammen und wer seine Beine und Arme zum Festhalten oder „Spannung halten“  benutzt, hat diese Körperteile so ausgelastet, dass ein unabhängiger Gebrauch nicht möglich ist. Der Unterarm und die Hand können ihre Aufgabe aber nur erfüllen, wenn das Schultergelenk nach unten hängen kann. Wenn der Arm also so körpernah ist, damit der Ellenbogen in die Lage kommt, in der für ihn seine wichtigste Funktion, ein ruhender Pol für Unterarm und Hand zu sein, möglich ist.

Der „steife Arm

Ein steif ausgestreckter Ober- und Unterarm, bei dem die Funktion des Ellenbogengelenks so weitgehend ausgeschaltet ist, wird dagegen die Bewegung des Pferdes ungebrochen auf die Hand übertragen, und die Hand unweigerlich auf den Kiefer des Pferdes. Und erzeugt damit eine unruhige Hand. Da hilft auch kein Gebiss, das „ruhig im Maul liegt“ – im Gegenteil, je „ruhiger“ das Gebiss im Maul liegt, desto weniger kann das Pferd das Gebiss verschieben. Zusammen mit der unruhigen Hand entsteht eine furchbare punktuelle Wirkung für den Pferdekopf – bei dem am Ende ausgeschlagene Löcher des knöchernen Ladens entstehen.

Deshalb muss die Forderung an die Hand sein, dass sie „spannungsfrei“ ist –  jede Form der Verkrampfung, die sich im Handgelenk zeigt, wird in die Schultergelenke weitergeleitet, die auch hier eine Verspannung erzeugen. Und wiederum an die Hand weitergibt…

Also liegt die Lösung gegen eine unruhige Hand in den Rippen und Schultern. Beobachten wir die „Haltung“ der Reiter, fällt uns rasch auf, dass sie mit einer krummen Wirbelkette reiten. (Abb. 1 +2)Durch die doppelte S-Form der Wirbelkette werden die einzelnen Wirbel in der Biegung durch Stauchungen oder Zugbelastung überbeansprucht, was ihre mechanische Belastungsfähigkeit enorm herabsetzt. Im Gegenteil dazu, ist die Belastungsfähigkeit der Wirbelkette sehr hoch, wenn sie ihre natürlichen Krümmungen „ausleben“ darf (siehe Abb. 3)

Einengung des Brust- und Bauchraumes durch die krumme Körperhaltung
Wenn wir uns den Rippenkorb in der Flexion betrachten (Abb 1.)kommt es in dieser Haltung zu einer Annäherung von Brustkorb und Becken. Folge ist dass der Bauchraum und der Rippenkorb eingeengt werden, was die Organe und allen voran die Atmung einschränkt, andererseits entstehen Muskelverkürzungen an der vorderen Rumpfwand. Die Arme und Hände sind durch die Unbeweglichkeit der Schulterblätter handlungsunfähig.

Streckung der Wirbelkette mit Spannung über Brust- und Bauchraum (Extension)
Anders dagegen bei der nach hinten überstreckten Wirbelkette (Hohlkreuz Abb. 2.).  Es entstehen Zugspannungen im vorderen Bereich, die die Organe in ihrer Tätigkeit genauso einschränken. Durch die Zugspannungen sind auch da die Schultergelenke und somit Hände und Arme handlungsunfähig. Übrigens müssen beide Haltungen, in allen Variationen durch Spannung der Muskulatur „gehalten“ werden, so dass ein unabhängiger Gebrauch der Muskulaturen nicht möglich ist. Die tiefen Sehnen sind in einem Dauerstress.

Da alle Muskulaturen und Sehnen in einem System arbeiten, dass sich über den ganzen Körper erstreckt, kann es in allen Bereichen des Bewegungsapparates zu Bewegungsstörungen und natürlich Schmerzen kommen.

Die natürliche Körperposition (Abb. 3.)
Aber welche Position muss eingenommen werden, um Fehlbeanspruchungen des eigenen Körpers zu vermeiden, aber eben auch alle Fehlbelastungen am Pferd auszuschalten? Das Hauptmerkmal kommt der natürlichen Bewegungsfähigkeit des Körpers zu – ohne Einbindungen. Nur in dieser Position kann die Wirbelkette – und zwar im positiven Gegensatz zu oben, übrigens auch wieder im gesamten Bewegungssystem, den Körper tragen und damit die feinfühlige Tragefunktion der Muskeln erhalten.

Die natürliche Körperposition knüpft der Körper erstmal an drei Grundbedingungen:

  1. Das Becken muss „entbunden“ und „durchlässig“ sein – erst dann ist auch die Kreuzwirbelbewegung möglich
  2. Der Rippenkorb muss sich in seinen Zwischenräumen öffnen können, damit das Brustbein frei von den Schulterblättern angehoben werden kann.
  3. Der Kopf muss frei balancierend auf der aufgerichteten Halswirbelkette getragen werden können.

Dadurch kommt der richtigen entbundenen Beckenbewegung  ein Hauptmerkmal zu. Die Beckenbewegung entscheidet über die Aufrichtung der Wirbelkette, die wie Zahnräder miteinander gekoppelt sind – über eine aufrechte Körperposition, die auch den Organen genug Platz lässt – oder ein Zurückstoßen in eine krumme Körperhaltung.

Die Sicherheit des Reiters entsteht in der natürlichen Körperposition…

…und ist auschlaggebend für die Verwendung von den Beinen und Armen bzw. Händen. Solange der Körper dieses Gefühl nicht empfinden kann, wird er sich immer wieder „halten“ und „spannen“ und dieses Gefühl wird vom Körper in die Gehirnareale weitergegeben.  Wiederholungen und häufiges Antrainieren sind für den Körper deshalb kontraproduktiv, da er das gespannte Körpergefühl im Kopf „verankert“.

Aber auch für das Pferd entsteht eine andere Welt mit der natürlichen Körperposition, denn erstens will ja der Reiter von seinem Sitz „profitieren“. Aber auch das Pferd verkraftet die Belastung im Fluss der Bewegung viel leichter, und  zweitens lösen sich auch beim Pferd körperliche Spannungen viel schneller auf. Der Reiter kann seinen Einfluss beim Pferd nur noch durch ein Regulieren der gewünschten Gänge in einer vertrauten Verbindung – selbstverständlich ohne die Verbindung Hand-Pferdemaul vollkommen aufzugeben – bewahren.

Sie sehen, es sprechen viele Gründe für eine natürliche Körperposition beim Reiten, für die wir ihren Körper in der Körperschulung vorbereiten. Und weil so viele, alltäglich gewordenen Handlungen am Pferd eine Überlastung darstellen, kann das durchaus ein Ziel  werden, denn Körperfehler, deren Schädigungen  man bei Pferd und Mensch beobachten kann, haben eine lawinenartige Wirkung…

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