Rund um das Reiterrückenseminar stellt sich eine Reihe von Fragen:
Mit unserem Pferd beginnen wir eine BewegungsLernen-Therapie. Was wird von uns Reitern und Pferdebesitzern erwartet?
Jede Bewegung des Pferdes wirkt auf den Reiter. Umgekehrt wirkt aber auch jede Bewegung des Reiters auf die Bewegung des Pferdes. Deshalb beginnen wir die Therapie für das Pferd gerne beim Menschen im Reiterrückenseminar. Sie lernen, für jede kleinste Bewegung, so viele Muskeln wie möglich mitzunehmen, was wiederum eine größere Vielfalt an Reaktionen beim Pferd erzeugen kann.
Verändert sich meine Körpersprache nach dem Reiterrückenseminar?
Auf jeden Fall! Ein aufgerichteter Mensch erscheint durch den geöffneten Brustkorb selbstsicher. „Ich muss mich nicht schützen“ lautet die Botschaft des Körpers. Die „Körpersprache“ wird damit automatisch verändert. Der Kopf steht gerade und aufrecht über dem Körper, die Halspartie ist dadurch verlängert und freigelegt und wirkt dadurch selbstbewusster und zielstrebig.
Erlerne ich im Reiterrückenseminar auch „körpersprachliche Zeichen?
Nein, denn jeder hat einen eigenen Körper-Ausdruck, der im Reiterrückenseminar verfeinert und ausdrucksvoller wird. Bewusst einstudierte, antrainierte „körpersprachliche Zeichen“ dagegen, sind in der Regel aus Pferdesicht grobmotorisch, außerdem konzentriert sich der Mensch meist so auf die richtige Ausübung des „Programmes“, dass der eigene Ausdruck dabei verloren geht, und das Pferd im besten Fall raten muss, was der Mensch eigentlich meint.
Warum soll ich so viele Muskeln wie möglich, auf für eine kleine Bewegung verwenden?
Die meisten Bewegungen, die wir uns im Laufe eines Lebens angeeignet haben, erfüllen zwar ihren Zweck, aber überanstrengen bestimmte Muskeln und setzen andere dafür kaum ein. Die Folge davon ist: der Körper bewegt sich mit der Zeit schief und belastet sich einseitig. Wirbel und Gelenke aber auch die umgebenden Sehnen und Bänder werden aus ihrer zentrierten Arbeit gerissen und nutzen sich ab.
Es ist ja bekannt, das Körper und Geist eine Wechselwirkung zueinander haben. Soll man zuerst den Körper, oder zuerst den Geist „heilen“?
Immer mehr Wissenschaftler sind heute der Überzeugung, das die psychische Gesundheit durch eine Neustrukturierung des Körpers erreichbar sei. Wie auch immer, auf jeden Fall ist es ein interessanter Ansatz, ohne Nebenwirkungen. Und die bessere Ansprechbarkeit des Körpers ist auch kein zu verachtendes Ziel – für Mensch und Pferd.
Warum gibt es Reiterrückenseminare?
Mal ehrlich, wie viele Reitstunden werden gegeben, in denen man versucht dem Pferd etwas beizubringen und dagegen vergleichsweise wie viele Lehrstunden die den Körper des Reiters betreffen?
Deshalb kann man auch sehr häufig hören: in der letzten Reitstunde hat der Travers wunderbar geklappt, ich ziehe meine Knie zwar immer noch hoch und kann nicht aussitzen aber die Reitstunde war toll, und endlich sind wir weitergekommen.
Merken Sie was da schiefläuft?
Deshalb gibt es die Reiterrückenseminare, die den Körper des Menschen schulen.
Eigentlich müsste so ein Reiterrückenseminar Plicht für jeden Reiter werden
Im Prinzip schon – denn wie in keiner anderen Sportart geht der Mensch körperlich unvorbereitet zum Pferd. Menschen mögen es aber nicht besonders, wenn man etwas anders macht, wie üblich. Und als der Mensch körperlich noch fit war, haben sich die erzeugten Schäden am Pferd noch in Grenzen gehalten.
Mit dem Pferdekörper kann man aber nicht diskutieren, er geht keine Kompromisse ein, denn irgendwann bekommt man die Konsequenzen – aber die führt man dann schon lange nicht mehr auf den Travers zurück, der mit einem schiefen Sitz mit hochgezogenen Knien geritten wurde.
Es ist hilfreich, sich vorzustellen dass jede unserer Bewegungen das Pferd verändert. Der Körper ist wie ein Gemälde, bei dem man nicht radieren kann. Auf dem weißen Leintuch des neugeborenen Fohlens sieht man jede Handlung des Menschen als Punkt. Jede Handlung erzeugt eine Reaktion im Körper. Wissen wir immer was wir genau tun?
Muss ich mich ab jetzt immer mit Reflexen bewegen?
Nein, wie alle Reflexe sollen auch die Primitivreflexe durch unbewusste Handlungen ersetzt werden. Die Reflexe die ausgelöst werden, sollen in regelmäßig wiederkehrende Abläufe integriert werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie sich im Alltag mit beweglichen Becken bewegen, dass sich in der Lende dehnen und strecken kann. Nach dem Reiterrückenseminar fühlt sich ihr Körper vielleicht nur größer und leichter an.
Nach dem Reiterrückenseminar hatte ich das Gefühl, das meine Kreislaufprobleme besser geworden sind?
Die bedeutsame körperliche Veränderung schleichend und bei jedem anders auf. Zu den aktivierten Bewegungsmustern gehört auch die vegetative Versorgung. Eine bessere Funktion der Muskulatur geht deshalb auch mit einer besseren Durchblutung einher. Der Sauerstofftransport durch den Körper ist aktiviert und Nährstoffe gelangen zum Bestimmungsort, die Durchblutung kommt bis zur äußeren Körperschicht an. Manche bemerken eine bessere Herztätigkeit, oder eben der Kreislauf und die Lymphe.
Besteht ein Unterschied zwischen dem Reiterrückenseminar und einer Sitzschulung?
In einer Sitzschulung wird der Körper mit den vorhandenen Muskeln in Haltung gebracht. Diese bewusste Haltung kann nicht sehr lange beibehalten werden. Es ist sicherlich gut, zu spüren wie sich ein Ball unter dem Körper anfühlt, aber bei der Kooperation zwischen Schultern und Becken hat sich noch nicht viel geändert.
Ich leide häufig unter Kopfschmerzen – hilft mir das Reiterrückenseminar?
Bei einem verspannten Nacken oder Rücken ist der Wirbelkettenreflex oder der Nackenreflex nicht aktiv. Es kommt dann häufig zu Kopfschmerzen und Gleichgewichtsproblemen. Im Reiterrückenseminar läuft vieles auf das Gleichgewicht raus – auf das Gewicht das beidseitig belastet und nicht nur einseitig. Die erste Reaktion auf das Reiterrückenseminar ist das der Körper als leichter, größer und aufrechter wahrgenommen wird. Indem alles über die Wirbelkette läuft, haben wir Eingang zum Zentralnervensystem, die Änderungen im System der Skelettmuskulatur überhaupt erst bewirken können.
Nach dem Reiten tut mir mein Rücken weh – wieso?
Zu sitzen ist für die Wirbelkette viel anstrengender als zu gehen, da im Sitzen mehr Druck auf die Bandscheiben ausgeübt. Wir haben ja schon an anderer Stelle darauf hingewiesen dass der Mensch nicht zum Sitzen konstruiert wurde, sondern zum Hocken, mit einem elastischen Rücken, der in die Bewegung eingeht.
Oft muss sich die Belastung die während des Sitzens entsteht, die Muskelanspannung des Lendenbereichs erst im Stehen wieder lösen. Auch da bewirkt die „Erziehung“ in der Jugend eher das Gegenteil – mit „sitz gerade“ und hohen steilen Stuhllehnen fördert man die verkrampfte Muskelanspannung ja geradezu.
Beim Reiten, bei dem man ja auch sitzt, kommt zur Belastung des Sitzens noch die Anspannung dazu, da man ja oft nicht wirklich stressfrei auf dem Pferd sitzt. Das wirksamste ist es, die Wirbelkette durch elastische Beweglichkeit zu entlasten.
Wie sieht meine Idealmotorik aus?
Im Reiterrückenseminar führen sie Bewegungen aus, die sie normalerweise niemals mehr auf diese Weise ausführen würden. Tatsächlich aber haben sie diese Bewegungen in einer früheren Periode ihres Lebens schon ausgeführt – geleitet durch die Primitiv-Reflexe.
Jeder kann einfach an sich selber beobachten, wie die ursprüngliche Bewegung der Wirbelkette und der Beckenbewegung war, und sein sollte. Am besten kann man das in einer Position beobachten, die relativ fixiert ist und keine Ausweich-und Drehbewegungen zulässt.
Dazu gehen wir in den Vierfüßerstand – wir knien auf allen Vieren, die Arme sind dabei gestreckt. Jetzt senken sie langsam den Rücken und heben dabei den Kopf nach hinten. Danach machen sie langsam einen Buckel und senken den Kopf.
Richtig: Jetzt können sie beobachten in welcher Richtung ihr Becken abkippt? Genau – es rollt nach vorne und nach hinten. Und die Wirbelkette bewegt sich in dem Umfang, in dem es sich am Leichtesten bewegen kann, weil sie dafür konstruiert wurde – sie vollzieht die S-kurven mit allen Wirbeln nach. Wenn Sie versuchen ein Bein vorzusetzen, kippt dabei das Becken ab, um gleich wieder in die alte Position zurückzurollen.
Falsch: Wenn sie sich jetzt in der Lende festhalten und ihren Po links und rechts schwingen, merken Sie welche schmerzhafte und schädigende Art uns zu bewegen wir uns unbemerkt angewöhnt haben.
So ganz nebenbei können sie an sich ablesen, ob sich ihre Schulter festhält, ob ihr Kopf leicht mitgeht oder nicht. Sie können auch darauf achten, ob ihr LWS-Bereich starr und fixiert ist, so dass es nicht zu einer Senkbewegung kommen kann. Sie sehen eine einseitige Beugung des Rückens und die Beweglichkeit oder Steifigkeit des Rückens. Die Fixierung und Steifigkeit der Wirbelkette auf Höhe der LWS beeinträchtigt die Kooperation zwischen Ober-und Unterkörper beim Menschen. Kann man die Fixierung des unteren Rückens lockern, werden übrigens oft Emotionen freigesetzt.
Nach den vielen interessanten Informationen die ich beim Besuch des Reitrückenseminars bekommen habe, hat sich mein Körper toll angefühlt, aber ich wusste gar nicht mehr ob ich mich jetzt richtig bewege?
Das machen wir ganz bewusst so. Wir möchten, dass der bewusste Verstand so wenig wie möglich an den neuen Bewegungs-Prozessen beteiligt ist. Der Verstand soll so passiv wie möglich bleiben, und keine körperliche Bewegung initiieren. Je passiver der Verstand ist, desto besser kann das Nervensystem seine eigenen, unverfälschten Reaktionen auf die Reflexe ausführen.
Das Pferd dagegen führt seine Bewegungen aus, ohne den Verstand einzuschalten – deshalb ist die Reaktion auf die ausgelösten Reflexe unmittelbarer als beim Mensch.
Wie kommen die Reflexe an den Muskeln an?
Der unmittelbare Empfänger der Reflexe ist natürlich das Gehirn, dann schließen sich in rascher Folge das Rückenmark, die Nervenverbindungen zu den Muskeln und schließlich die Muskeln selbst an, sodass sie im Sinne der Reflexe auf das Skelett einwirken. Wird eine Bewegung unbewusst ausgeführt, finden in den Muskeln finden Mikrobewegungen statt, die erst eine Bewegungsänderung bewirken.
Reicht es, wenn ich an einem Reiterrückenseminar teilnehme, oder muss ich öfters kommen?
Die Reiterrückenseminare haben eine kumulative Wirkung. Eine körperliche Veränderung stellt sich schon nach dem ersten Seminar ein. Je häufiger die beschriebenen Bewegungen ausgeführt werden umso größer ist das beabsichtigte Ergebnis.
Was kann ich erreichen?
Die weitreichenden Veränderungen, zu denen die harmonische Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist gehören, lassen sich leichter erreichen, wenn all seine inneren Organe gut funktionieren und wenn Knochen und Muskeln stark sind.
Eine größere Schulterbeweglichkeit, eine größere Handsensibilität, eine besseres Haltungsgleichgewicht, eine veränderte Körperwahrnehmung durch eine bessere Koordination und Kooperation. Die Balance zwischen Beckenbewegung und Schulterbeweglichkeit.
Sie bekommen einen starken Glauben an die Geschmeidigkeit ihres Körpers und sie werden erkennen, dass beinahe nichts an ihnen festgelegt ist. Über ein verbessertes Gleichgewicht kann man Vorgänge im Körper auslösen, die Veränderungen in Wirbeln, Gelenken, Muskeln aber auch Organen und natürlich im Körperbild bewirken.
Manche werden merken, dass die Gesichtshaut wie straff gezogen wird, einige haben bemerkt, das der Biss ihrer Zähne satter geworden ist. Man stellt vielleicht an sich selber fest, dass man früher schief gegangen ist, weil man jetzt gerader und aufrechter geht.
Die größte Veränderung stellt sich aber auf dem Pferd ein: Durch die erhöhte Körpersensibilität können sie sich ganz anders in das Pferd einfühlen. Zusammen mit dem Reflexreiten merken sie, wie auf einmal ganz kleine Bewegungen ihres Körpers beim Pferd ankommen. Wie ihr Pferd gebannt und voller Neugier auf ihren Körper lauscht, und wieviel Freude es beiden macht, die Bewegungen immer mehr zu reduzieren.
Stellen sie sich das Reflexreiten als eine Art Körperspiel vor. Das Spiel zwischen Mensch und Pferd. Bei den Reaktionen von beiden gibt es viel zu entdecken, und dem „Forschungseifer“ und der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.