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und Sensopathie von Roland Pausch

Lernen von der Evolution

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Evolution und Reiten – was sich aus der Urzeit über unseren Körper lernen lässt

 

 

Durch zuviel Gehen und Stehen hat der Mensch oftmals verlernt beweglich in der Lendenpartie zu sein – den Stand-By Modus nimmt er mit in die Bewegung mit, und natürlich auch auf das Pferd.

So vieles was der Mensch heute als körperliche Erleichterung empfindet, entfernt ihn von der einzigartigen Einrichtung, die er hat – die aufgerichtete bewegliche Wirbelkette. Die Evolution stattete den Menschen mit einer ausgeprägten starken Gesäßmuskulatur – die zusammen mit dem stabilisierenden Kreuzbein ( 5 Wirbel sind zusammengewachsen, und geben damit „Halt“ ) die Lendenwirbelkette aufrichten. Die  Trennung von Schädel und Schulter durch den Hals bewirkte, das die Stöße beim Aufsetzen der Füße nicht direkt auf den Kopf einwirken. Immer wenn der Fuß beim bewegen auf den Boden auftrifft,  ist der Organismus extremen Belastungen ausgesetzt. Das Drei- und Vierfache des Körpergewichtes wirkt auf ihn ein. Belastungsimpulse jagen durch Knochen und Gelenk, durch das Knie, das Becken, die Wirbelsäule bis hinauf zum Kopf.

Große Beingelenke, dicke Oberschenkelmuskeln, ein mächtiges Knie, starke Sehnen und ein Fuß mit federndem Gewölbe können den Aufprall der Füße besser auffangen. Um noch besser zum Gleichgewicht zu gelangen, wurden die Arme graziler, die Unterarme kürzer und konnten, den Beinen entgegengesetzt mit einer schmalen Taille mitschwingenden. Dabei schwingt die Wirbelkette bei jeder Bewegung mit. ( noch mal zum Vergleich: ist die Lendenwirbelkette festgehalten, bleibt die Bewegung stecken )

Halsformen

Es ist interessant, im Tierreich zu beobachten, wie sich die Wirkung der verschiedenen Halsmodelle auf die Beinform auswirkt. Alles mit dem Hintergrund, das Hirn vor Stößen zu schützen. Der Elefant z.B. der keine Trennung von Kopf und Rumpf hat, schreitet mit gewaltigen, leisen Sohlen. Die Giraffe, als genaues Gegenteil, hat zu ihren staksigen Beinen einen überlangen beweglichen Hals, der das Staksen auffangen kann. Nur der Mensch wieder, bildet eine Ausnahme – 1. Ausnahme – er trägt Schuhe. 2. Ausnahme – er polstert gutmeinend seine Schuhe so ab, das der Fuß den Aufprall nicht mehr spürt, trotzdem, oder eher gerade dessen geht jede Erschütterung direkt ins Gehirn.

 

Heute aber bewegen sich beide „Wirbeltiere“ nur noch im Stand-by Modus – d.h. die stabilisierende Wirkung des Kreuzbeines hebt die Beweglichkeit der Lendenwirbelkette auf.

Der Körper eines Lebewesens ist pausenlos bestrebt, seinen Schwerpunkt zu suchen.

Bleiben wir mal beim Menschen! Selbst wenn wir nur aufrecht stehen, schaukeln wir unmerklich von vorn nach hinten, und von rechts nach links. Wenn beide Füße nebeneinander stehen, bewegt sich unser Körper oft mehrere Zentimeter in jede Richtung. Wer versucht, auf einem Bein zu stehen, schwankt sogar so stark, dass es gewöhnlich ein halbe Minute dauert, bis er die Arme ausbreitet oder sogar wieder mit dem zweiten Fuss den Boden berührt.

Beim Reiten offenbart sich die höchste Form einer menschlichen Gabe: das Gleichgewicht zu halten.

Die Leistung des Reitens ist umso erstaunlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Herausforderung es für den menschlichen Körper allein schon ist, überhaupt auf zwei Beinen zu stehen. Pferde dagegen verteilen ihr Gewicht auf vier Extremitäten – was ihrem Körpern mehr Stabilität verleiht ( was aber andere Probleme hervorruft ).

Jeder Körper, so auch der Reiterkörper, hat um sein Schwerkraftzentrum zu finden die Fähigkeit sich anzupassen. Die wirkt sich für Pferde allerdings eher negativ aus. Je stärker der Reiter z.B. nach vorne fällt, desto stärker ist der Körper gezwungen, von seinem Schwerkraftzentrum abzuweichen. Um der Schwerkraft entgegenzuwirken, richtet sich der Oberkörper nach hinten auf, bekommt ein Hohlkreuz und die Muskulatur im Lendenbereich steht unter Dauerspannung und muss mehr Arbeit leisten um uns aufrecht zu halten und wird festgehalten.

Für den Reiter gilt es sogar noch im verstärkten Maße, denn der Reitersitz verlangt eine absolute Besonderheit vom Menschen. Er muss sich ohne Boden unter den Füßen zu haben, auf seinem Gesäß ausbalancieren und unter diesem Becken bewegt sich eine lebende Wirbelkette – das Pferd.

Wenn wir unseren Reitersitz verbessern wollen, sollten wir zuhören, was uns unser Körper beim Reiten zu sagen hat

 

 

Erfolgsmodell Wirbelkette

Der ganze Körper arbeitet für das Haltungsgleichgewicht zusammen. Diesem hochkomplexen Prozess (Propriozeption)  werden uns gewöhnlich nicht bewusst, so banal und alltäglich ist das phänomenale Steuerungssystem des eigenen Körpers.  Pausenlos, in jeder Sekunde, ob wir wach sind oder schlafen übermitteln Sensoren Botschaften über Nervenbahnen zum Rückenmark und von dort zu den Bewegungszentren im Gehirn, um die Gliedmaßen zu bewegen, aber in erster Linie den Kopf aufrecht zu halten.

Erst wenn diese Wahrnehmung gestört ist, wenn das Zusammenspiel dieser Gleichgewichts-such-Prozesse nicht harmonisch abläuft, wenn wir uns zu schnell auf Situationen einstellen müssen (Koordination) oder bei hohen Geschwindigkeiten merken wir wie abhängig wir davon sind, dass alles einwandfrei funktioniert. Dann herrscht erstmal Verwirrung im Körper, die der Körper versucht, irgendwie auszugleichen.

Beim Reiten, kommt der menschliche Körper in einen Zustand, für den er von der Evolution nicht gebaut wurde und der für ihn ungewohnt ist – er verliert den Boden unter den Füßen.  Die erste Reaktion des Körpers ist sich zu stabilisieren. Der Selbststabilisierungsmechanismus tritt in Kraft. Das ist eine Schutzfunktion des Körpers um die Gelenke des Körpers, aber in erster Linie die Wirbelkette vor ungewohnter Belastung zu schützen.

Ohne diese Schutzfunktion könnten könnten Wirbelbänder, aber auch Gelenksbänder und natürlich die schützenswerte Tiefenmuskulatur der Wirbelkette ( umkleiden das Rückenmark ) reißen. Deshalb wird der Körper in einen Spannungszustand gebracht, der die Gelenke und Wirbel erst mal festhält und damit schützt.

Reiterbotschaften aus unserem Innersten – Das Haltungsgleichgewicht

 

Um die vielen kleinen, präzisen Impulse an das Pferd geben, und als Einheit funktionieren zu können, braucht der Körper des Reiters eine ständige Verständigung und Steuerung.

Das hat unser Reiterkörper Biosensoren zu verdanken, die alle Daten in ein gigantisches Nachrichtensystem einspeichern zu dem rund 780000 Kilometer an Nervenfasern gehören. Unter vielen anderen Aufgaben übertragen sie Sinneseindrücke oder schicken Befehle an die Muskeln. Ob diese innere Signalwelt funktioniert, sehen wir im Haltungsgleichgewicht.

 

Das Haltungsgleichgewicht tariert den Körper entsprechend der Auflagefläche der Füße in jeder Sekunde neu aus. Und da wir als Reiter buchstäblich den Boden unter den Füßen verloren haben ist das eine enorm bedeutungsvolle Aufgabe, die maßgeblich entscheidet wie der Reiter im Sattel sitzt und mit seinem Körper umgehen kann.

 

 

KörperReiten – maßgeschneidertes Reiten für den Körper

 

Der Beckengürtel bildet die feste Verbindung zwischen Wirbelkette und Beinen. Ihm kommt beim Reiter eine ganz wichtige Bedeutung zu, denn neuere Studien zeigen dass sich auch die Gelenke des Beckens an Belastungen anpassen, indem sie versteifen. Außerdem beeinflussen sich die Funktionen von Becken und Lendenwirbelketten-Bereich.

Die wichtigsten Bewegungen des Beckens sind die Vorwärtskippung und die Rückwärtskippung. Das Becken ist zwar in seiner Mobilität eingeschränkt, sollte aber keinesfalls bewegungslos sein. Versteift der Beckenbereich aber, durch die zu sehr stabilisierende Lendenwirbelkette, kommt den Hüftgelenken mehr Arbeit zu.

 

Gerade beim Reiten sind die Funktionen von Wirbelkette und Becken untrennbar miteinander verbunden. Jede Bewegung im Becken hat Auswirkung auf die LWS und umgekehrt. Geht man von dem oben beschriebenen Selbststabilisierungsmechanismus aus, betrifft das Versteifen der Wirbel auch die Brustwirbelkette, was für den Reiter eingeschränkt bewegliche Arm -und Handreflexe bedeutet. Eine kombinierte Aktion der vielen beteiligten Muskeln ist nur mit Hilfe des Beckens (genauer des Sakroiliakalgelenks) möglich.

 

So sind die Kopplungsmechanismen zwischen Wirbelkette besonders der Lendenwirbelkette, Becken, Beinen und Armen  für Fehlfunktionen des menschlichen Fortbewegungsapparates aber vor allem für den Reitersitzes von allergrößter Bedeutung.

 

Das sensible Wunder – die Hand

 

Gesteuert wird die Hand – das Kommunikationsmittel zum Pferd durch feste Bänder, Sehnen  und Muskeln die teilweise im Unterarm verankert sind. Die Hand hat mehr Bewegungsmöglichkeiten als jedes andere Körperteil – wenn man sie lässt. Die im 90° Winkel angelegten Arme sind nicht nur eleganter anzuschauen, erst in dieser Position bekommt die Hand ihre Möglichkeit für die mannigfaltigen Aufgaben die sie beim Reiten hat. Denn ihre Perfektion bekommt die Hand nur, wenn die Brustwirbelkette gänzlich frei beweglich ist. Der ausgestreckte oder sogar durchgestreckte Arm macht automatisch die Brustwirbelkette fest.

 

Das Besondere an der Konstruktion der Hand ist nämlich, das fast die Hälfte der Muskeln, die die Finger bewegen und ihnen Kraft geben, nicht in der Hand sitzen sondern im Unterarm. Und die wiederum ziehen wie mit Seilen an den Schulterblättern. Also weit entfernt von den Fingern.

 

Aber nicht nur das: wenn die Hand ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen kann, erweitern sich die Kapazitäten des Gehirnes, denn eine raffinierte Steuerung, eine Art neuronale Schnellstraße zum Gehirn, stellt sicher, das der Greifapparat das ausführen kann, was der Reiter als Impulse geben möchte.

 

Der lange Weg zum Haltungsgleichgewicht

Wie wichtig es ist – aber auch wie schwer es dem Menschen fällt, seine eigene Bewegung und den eigenen Schwerpunkt wahrzunehmen, zeigt sich darin, das Babys meist ein Jahr benötigen, ehe sie es schaffen, ihre Glieder so weit zu koordinieren, das sie erste tapsige Schritte wagen können. Auch später muss der Mensch bei jedem  neuen Bewegungsablauf neu lernen, seinen Körper zu beherrschen und die Balance zu halten – selbst wenn es nur darum geht, einstudierte Elemente in einer flüssigen Folge zu bewältigen.

Das hat damit zu tun, dass wir bei ungewohnten Bewegungsmustern anfangs noch nachdenken müssen – um nicht die Balance zu verlieren. Wie aufwendig das Erlernen eines komplizierten Bewegungsmusters, wie dem Reiten sein kann, zeigt sich nicht zuletzt bei Spitzensportlern, wie z.B. Kunstturnern, die über viele Jahre ihre Balance schulen.

zum Glück ist der Mensch genau wie das Pferd ein Bewegungskünstler – ein Meister des Gleichgewichtes und – ungemein lernfähig. Lernfähig mit dem BewegungsLernen.

Die Gesetze der Statik und Dynamik

Beim Mensch ruht das Gewicht auf zwei Beinen. Diese Statik stellt unseren Organismus vor besondere Herausforderungen.

Jede einzelne Bewegung verursacht eine Veränderung bestimmter Körperabschnitte. Wenn man den Rumpf nur leicht nach hinten, nach vorn oder zur Seite neigen, verlagert sich unser Körperschwerpunkt, und wir geraten in eine derart instabile Lage, dass man theoretisch umfallen müsste. Das man es nicht tut, verdankt der Körper einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken, das unseren Körper permanent austariert.

Verlagert sich unser Gewicht zum Beispiel um wenige Zentimeter nach vorn, erfolgt bereits unwillkürlich eine Gegenbewegung: Fußgelenke, Knie oder die Hüfte positionieren sich so, dass ein Teil unseres Körpers minimal nach hinten schiebt – zum Beispiel unser Gesäß. Unser Bewegungsapparat gleicht dies in Sekundenbruchteilen aus – und stellt auf diese Weise sicher, dass wir aufrecht bleiben. Er hält die Balance.

 

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