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und Sensopathie von Roland Pausch

Der Biomotorische Reitersitz

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Der Reitersitz ist ein Körpersitz – was ihr Körper dazu braucht

  1. Wie beeinflussen Sie das Pferd – und wo unterstützen Sie es mit ihrem Körper

Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass der Reitersitz „nur“ ein Vermittler für die Körperinformationen sein darf, die das Pferd zum Reiten braucht.

Die Lesbarkeit unseres Körpers ist kein Zustand, sondern ein Prozess, denn wir müssen ihn jedes Mal aufs Neue anstreben und nutzt dazu die ganze Bewegungskette des menschlichen Körpers – von der Sinneswahrnehmung bis zur Ausführung.

Reiten findet hinten statt

Die Wirbelkette entscheidet über ihren Reitersitz. Wie man auf der Zeichnung sehen, kann findet ihr Reitersitz hinten statt – vorne, also in ihren Gliedmaßen sieht man nur die Auswirkungen – die auch ihr Pferd zum Spüren bekommt. Aber die Wirbelkette entscheidet auch über die Sinneswahrnehmungen ihres Körpers. Eine Beobachtung der Reiter macht aber schnell klar, dass oft nur ein Bruchteil des gesamten
Bewegungspotenzials des Reiters in einem Sitz ausgeschöpft wird, der festgehalten, in Spannung oder in Haltung ist. Manche Körperpartien kommen dabei gar nicht zum Zug.

Der Reiter bewegt sich – im Normalfall – meist mehr oder weniger in einer senkrechten Haltung gefangen –dabei immer bemüht „aufrecht“ zu sitzen. Der Bewegungsfluss wird kaum ausgenutzt und kommt so schließlich zum Erliegen. Für das Pferd ziemlich langweilig, unlesbar und möglicherweise sogar schmerzhaft. Da kann auch kein Sattel helfen, denn so wie der Sattel eigentlich ein „Vermittler“  zwischen Pferd und Mensch sein sollte, bekommt er, wenn er nur noch eine „haltende Funktion“ für den Reiter hat, eine statische Rolle zugeteilt und überträgt die punktuelle Belastung der Menschenknochen auf das Pferd.

Das Pferd gewöhnt sich übrigens daran. Der Pferdekörper formt sich mit der Zeit, mit seiner Anpassungsfähigkeit an den Reiter und an den Sattel an. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen in seinem Körper….
Diese Einsicht wirkt für viele ernüchternd. Da ist – Handlungsbedarf angesagt. Und die Einsicht wie wichtig die einzelnen Körperteile für den Reitersitz, und somit für das was das Pferd unter dem Reiter spürt, kann viel „bewegen“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass der Reitersitz „nur“ ein Vermittler für die Körperinformationen sein darf, die das Pferd zum Reiten braucht.

Der Biomotorische Reitersitz ….und wie es damit weitergehen kann

Die Bewegung fließt weich und flüssig durch den ganzen Körper. Die „großen Gelenke“ haben die Regie übernommen, die „kleinen Gelenke“ der Gliedmaßen haben genug Zeit, sich in eine, in das Pferd hineinfühlende Art zu bewegen.  So ruht der Körper  in sich und lebt in der Bewegung, während möglichst alle Körperteile gleichzeitig in Mikrobewegungen sind. Die Reiterbewegung fließt ungebremst durch alle Glieder, von Kopf bis Fuß. Der Reiter wird von Körperinformationen durchströmt, die das Pferd lesen kann.

Das Körperseminar für den Menschen, das an der Wiederbelebung aller Körperteile arbeitet, kommt jetzt dem Reiter zur Hilfe. Dabei werden gleichzeitig Koordination, Differenzierung und Unabhängigkeit geschult. Der Körper bekommt durch die neuen Bewegungserfahrungen das Potenzial, sich neuronal zu vernetzen und sich harmonisch auszugleichen. Für das Pferd bedeutet das klare, eindeutige Bewegungsaussagen, denen sich das Pferd gerne anschließt. Es geht um die Eindeutigkeit einer Bewegung, an der sich das Pferd orientieren kann und körperliche Sicherheit findet.

Die Bewegung des Reiters in allen Körperteilen – beweglich einsetzbar von Kopf bis Fuß
…..und was daraus entstehen kann

Weil der Reiter selber mit sich in Kontakt ist, kann er über die verschiedenen Körperteile auch mit dem Pferd in Kontakt treten. Miteinander in ein Bewegungsgespräch kommen und eine reiterliche Interaktion entwickeln.

Das Pferd wird nicht von dem Reiter auf seinem Rücken überrascht, ausgebremst oder gehindert. Der Reiter spürt, dass er nicht mehr vom (denkenden) Kopf aus reitet, sondern seine  Körperteile für sich reden lässt. Die Schultern, die Arme, der Ellbogen, das Knie und die Füße kommunizieren mit dem Pferd und die Augen geben dabei die Richtung an – so entsteht die verbindende reiterliche Interaktion, die das Pferd atmen lässt und dem Körper genug Raum lässt und in einen anregenden Bewegungsaustausch übergeht, der in der ruhigen Bewegung lebt. Bei jedem Pferd-Mensch Paar unterschiedlich – je nach Zusammensetzung.

Wenn es um das gemeinsame Bewegen geht, ist Langsamkeit ein Zauberwort. Schnelle Bewegungen sind anfangs keine gute Idee für die Informationsvermittlung zwischen Mensch und Pferd. Wenn die Verbindung allerdings steht….
Die Langsamkeit führt beide Körper immer wieder in die Grundlage des natürlichen Bewegungsverhaltens und zur bewussten körperlichen Eigenwahrnehmung. Gleichgewicht lässt sich eben nicht auf Knopfdruck herstellen. Es stellt sich dann ein, wenn die Bedingungen stimmen. So ist ein Fortschritt der Bewegungsentwicklung, auch unter dem Sattel garantiert.

 

 

 

  1. Wie sie reiten so gehen und sitzen sie auch – oder wie sie sich ihrem Pferd verständlich machen, wenn ihr Körper unlesbar ist

 

Das Sitzen ist leider für den Körper des Menschen die schlechteste Körperhaltung überhaupt. Durch die „tiefen Sättel“ in denen das Kreuzbein nach unten rutscht und das Schambein des Reiters nach oben kommt, ist auch das heutige Reiten zu einer schädlichen sitzenden Tätigkeit hinzuzufügen(wen wundert es dann, dass viele Berufsreiter und Vielreiter einen kaputten Körper haben). Durch das tiefergelegte Kreuzbein kommen die Knie hoch, und der Rücken wird rund, als wenn sie auf einem Stuhl sitzen würden. Dazu kommen noch die Aufprallstöße vom Pferd dazu (vor allem, wenn das Pferd nicht gelernt hat, in seinem Körper zu federn!), die die Gelenke in noch größere Schwierigkeiten bringt.

Ihr Körper ist in so einer desolaten Funktion, dass ihr Pferd nur noch Rätsel raten kann. Bei ihnen kommt an, dass ihr Pferd nicht händelbar ist und „lösen“ die Widerstände des Pferdes nun möglicherweise mechanisch. Ein Kräftemessen hat begonnen – bei dem es leider nur Verlierer gibt.

 

Die Lesbarkeitsbremsen:

 

  • Die Rückenmuskulatur wird überdehnt, was das Becken an seiner richtigen Funktion hindert – die Stoßdämpferwirkung der Wirbelkette ist „ausgehebelt“.
  • Die Bandscheiben müssen eine große und zudem einseitig verteilte Last tragen.
  • Die Wirbel kommen auf der einen Seite, Knochen an Knochen.
  • In einer Haltung, leicht nach vorn fallend oder gebeugt, hat immer die vordere Kante unserer Bandscheiben erhöhten Druck. Hinten drückt es weniger, deswegen kann das Gewebe hinten herausquellen.
  • Wie die Gelenke auch, werden auch die Bandscheiben nur durch permanente Druckveränderung ernährt, also durch fließende Bewegungen.
  • Die Bauchmuskulatur wird verkürzt, sie verkümmert, und wird schlaff .
  • Ein Training der Bauchmuskulatur verkürzt sie noch mehr, macht sie fest und hindert sie daran, eine Wechselwirkung mit der Rückenmuskulatur einzugehen, die sich selber nicht bewegen kann.
  • Dasselbe passiert mit ihrer Bein- und Gesäßmuskulatur.
  • Die Atmung ist beeinträchtigt, ebenso das Zwerchfell, damit haben Sie permanent zu wenig Sauerstoff.
  • Die Organe, vor allem Magen und Darm arbeiten langsamer, sodass ihr Stoffwechsel sich verlangsamt.
  • Die Durchblutung des ganzen Körpers wird eingeschränkt.
  • In den Krümmungen der Wirbelkette (der Mensch hat im Vergleich zum Pferd vier
    Krümmungen) kommen Wirbel an Wirbel – die gefürchteten Kissing Spines. Wie sich

das im Genick auswirkt sehen wir gleich…

 

Wenn der Mensch für das Pferd unlesbar ist, rüstet er auf….

….denn die Informationen die ihr Körper zur Bewegung bekommt, bekommt auch das Pferd. Das heißt: „falsche, imitierte oder künstlich erzeugte Bewegungen sind unverständlich bis unlesbar für das Pferd.  Auf dieser Basis ist es dann auch nicht „sinnführend“  diese Bewegungen durch Training zu be- und verstärken.

 

 

  1. Das Pferd wird, was der Mensch ihm gibt

Die Beziehung zu anderen Lebewesen spielt für das Pferd ab seiner Geburt eine wichtige Rolle für seine Bewegungsentwicklung. Das Pferd entwickelt sich als soziales Wesen durch Anregungen und Anreize von außen und durch Kontakt mit anderen Lebewesen.
Auf dem Weg zu seiner Eigenwahrnehmung wird es in der Natur vor allem von den sehr engmaschigen familiären Beziehungen seiner Herde geleitet. Das Ur-Vertrauen, dass es da aufbaut und das man als Gefühl des Sich-Verlassen-Dürfens verstehen kann, ist der Grund, warum sich das Pferd auch so eng an uns Menschen anschließen kann.

 

Je besser wir auf die Bewegungsbedürfnisse des Pferdes eingehen, desto sicherer wird das Pferd in seinem natürlichen Bewegungsverhalten sein. Je sicherer sein natürliches Bewegungsverhalten beim Pferd ausgeprägt ist, desto mehr kann das Pferd seine Umwelt aktiv und mit allen seinen Sinnen wahrnehmen können – auch den Menschen. So kann einerseits eine sehr tiefe Beziehung mit dem Menschen entstehen, und andererseits eine gesundes, einschätzendes Selbstvertrauen und eine gesunde Bewegungsentwicklung.

 

Es kommt also wieder einmal auf unsere Bewegungen an. Wie gesagt, die Informationen, die unser Körper zur Bewegung bekommt, bekommt auch unser Pferd. Unsere Lesbarkeit entsteht dabei in unserem Bewegungsgehirn: Gehirn und Rückenmark. Deshalb bekommt unsere Wirbelkette eine besondere Aufmerksamkeit.

 

Bei beiden Bildern können wir sehen, dass der Informationsfluss im Körper beeinträchtigt ist. Beim stehenden Menschen links ruht das Gewicht hauptsächlich auf einem Fuß, der Schwerpunkt verändert sich. Die rechte Schulter kommt höher und das rechte Gesäß tiefer. Nicht nur die Lesbarkeit ihres Körpers wird beeinträchtigt, sondern die Aussagekraft ihrer Handlungen der Arme und Beine.

Dramatisch wird die Aussagekraft und Lesbarkeit ihres Körpers allerdings in Bewegung (Bild rechts). Weil das Becken im Lendenbereich festgehalten wird, schiebt der Körper die Beckenschaufeln in die Bewegung ein. Das belastet nicht nur die Hüftgelenke, sondern bei jeder Bewegung kommt Wirbel an Wirbel – der Informationsfluss durch die Wirbelkette ist beeinträchtigt.

 

 

 

Diese Beeinträchtigung setzt sich in ihre Gliedmaßen fort. Bei der Schulter und ihren Nerven sehen wir von wo aus die Bewegungen der Hand gespeist werden – von der Halswirbelkette und aus den freien ersten bis dritten Halswirbeln.

Sie können nach den Erfahrungen des Körperseminares mal beobachten, wie gerade oder eben nicht gerade, die imaginären waagrechten Achsen in ihrem Körper verlaufen.

 

 

 

 

Denn die schlechteste aller Nachrichten ist, dass sich alle „Verstopfungen“ der Wirbelkette bis ins Gehirn fortpflanzen, was die Nachrichtenübertragung empfindlich stört. Das Genick muss nämlich ausbaden, wenn die Peripherie Mist baut.

 

 

 

 

Der Kopf als „Krönung“ des Körpers

 

 

Das ist eine Halswirbelsäule von einem Menschen, schräg von vorne gezeichnet. Sehen Sie die gespaltenen Dornfortsätze (Pfeil), die nach hinten weisen? In den v-förmigen Spalten ist das Nackenband verankert, dessen ganze Ausdehnung Sie in der Abbildung nebendran ermessen können. Es spannt sich vom Hinterhaupt bis hinab zum Dornfortsatz des letzten Halswirbels wie eine Faserplatte,. Weswegen Sie im Übrigen die Dornfortsätze der Halswirbelsäule – anders als die aller anderen Wirbel – nicht tasten können. Das Band steht drüber. Erst des siebten (und letzten) Halswirbels Dornfortsatz ist wieder sicht- und tastbar. Man nennt ihn, eben weil er sich so neckisch vorwölbt, die “Vertebra prominens”, den “vorstehenden Wirbel”.

 

Medianschnitt des Kopfes | Aus Pernkopf, E.: Altas der topographischen und angewandten Anatomie des Menschen. Hrsg. W. Platzer, Urban und Schwarzenberg, München 1994, Abb. 326, S. 275

 

 

 

 

 

 

  1. Das Nackenband verbindet Pferd und Mensch

 

 

Wenn wir den Kopf neigen, spannt sich das Nackenband. Aber es hält den Kopf nicht wirklich, schränkt seine Neigung nicht ein – denn wir könnten das Kinn bis aufs Brustbein fallen lassen. Wenn wir’s nicht vorher mit den Händen abstützen. Die Anatomen nennen das eine “Knochenhemmung” – der Bewegungsumfang wird eingeschränkt, weil zwei Knochen aneinanderstoßen. Das Nackenband spielt also bei uns keine große mechanische Rolle.

Ganz anders beim Pferd. Wir balancieren im besten Falle unsere Köpfe auf der Wirbelsäule, das Pferd aber trägt seinen Kopf  Vorderende der Wirbelsäule vor sich her. Und so ein Kopf ist schwer – und das Pferd würde wohl unter  Dauernackenmuskelkater leiden, hätte es nicht ein Nackenband, das das unseres in den Schatten stellt. Das Nackenband spannt sich viel weiter nach hinten als bei uns, bis an die hoch aufragenden Dornfortsätze der Brustwirbelkörper zwischen den Schulterblättern,  den Widerrist.

 

Und das Band trägt tatsächlich den Kopf, denn es besteht – anders als bei uns – aus elastischem Bindegewebe, das die Eigenschaft eines Gummizugs hat: Es ist dehnbar und entwickelt dabei beträchtliche Rückstellkräfte. Mit anderen Worten: Das Pferd muss gar nichts tun, um den Kopf oben zu halten. Ganz im Gegenteil! Will das Pferd grasen und das Maul zu Boden bringen, müssen sie die Muskeln auf der Vorderseite des Halses anspannen – gegen den Zug des Nackenbandes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Vergleich zu Hirschskelett, dessen Halswirbel so angeordnet sind, dass der Kopf auch in der Lage ist, ein Hirschgeweih ohne Permanentkopfweh zu tragen oder dem Schweineskelett, bei dem die Wirbelkette in eine dicke Schicht Speck und Muskeln eingepackt ist, ist sowohl der Mensch wie als auch das Pferd abhängig von der Balance der Hals- und Kopfmuskeln – den X-Muskeln um das Nackenband nicht überzubelasten. Zwar ist das Nackenband extrem elastisch und fest, aber wie bei einem Gummiband leiert es eben auch aus.

Deshalb beginnt das Biomotorische Training bei ihnen und beim Pferd mit dem „Wackeldackel“ um das Genick aus seiner Verankerung zu lösen und die Balance des Genicks wieder herzustellen. Das öffnet den Informationsfluss, der befreit wird und durch das Rückenmark bis ins Becken fließt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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