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BewegungsLernen.com

und Sensopathie von Roland Pausch

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REITEN – IM ERNST, WAS HAT DAS PFERD DAVON?

Wir kommen aus einer Zeit heraus (zum Glück heraus!), in der die verhaltensbiologisch „normalen“ Bedürfnisse eines Pferdes immer mehr in Vergessenheit geraten sind. In Gesprächen mit Pferdebesitzern müssen wir leider feststellen, das man sich mittlerweile besser über Techniken und Strategien, Hilfsmittel und bewusste Formungen des Pferdes auskennt, als über die körperlichen Bedürfnisse des Pferdes. Ist das Reiten des Pferdes also ein Widerspruch zu dem Wunsch des Menschen geworden, das Beste für das Pferd zu wollen?

Verstehen und Verstanden werden

Dazu kann ich aus meiner Erfahrung ein ganz klares Nein sagen. Es ist überhaupt kein Widerspruch – wenn zuvor eine sehr enge körperliche gemeinsame Beziehung aufgebaut wurde. Aber – und das ist ein genauso deutliches ABER, funktionierende „Beziehungen“ müssen, wie immer im Leben, auch wirklich funktional sein und einen Nutzen für beide „Partner“ haben.

Die körpergeprägte VERBINDUNG des Menschen zum Pferd macht also den entscheidenden Unterschied aus. Pferde sind feinsinnige Experten darin, uns im Alltag zu beobachten und UNSERE Bewegungen zu analysieren – sie haben mit den verschiedensten Kommunikationssituationen viel Erfahrung. Wie überzeugend das Pferd unser Verhalten verstehen kann, sehen wir deutlich in unseren Seminaren, in denen verschiedene Menschen ein Pferd nacheinander an die Hand nehmen und sich dasselbe Pferd bei keinem Menschen gleich „benimmt“.

Was wir Menschen als Stärke bezeichnen, zählt für das Pferd nicht unbedingt. Seine Fähigkeit, sich über Blickkontakt und Körpergesten auszutauschen, entspricht der genetisch im Herdentier Pferd angelegten Kommunikationsfähigkeit. Pferde können sich blitzschnell, sehr erfolgreich und sehr beeindruckend an einen neuen Menschen anschließen. Damit können sie feine und unauffällige Hinweise des menschlichen Verhaltens sehr gut lesen und kennen unsere Stärken, Schwächen und Gewohnheiten viel schneller als wir und sind dadurch auch in der Lage, ihr Bewegungsverhalten unserem Körper anzupassen.

Sie verstehen uns so gut, dass das Pferd eigentlich vor uns weiß, was wir als nächstes tun werden – und auch, warum wir es tun. Sie wissen ganz genau, wann Kommunikation für sie beabsichtigt ist und verstehen auch die Absicht dahinter– zum Beispiel, ob wir etwas FÜR ihren Körper tun wollen – oder vielleicht nur ein egoistisches Ziel verfolgen.

Reiten ist mehr eine Einstellung als ein Tun

Das alles funktioniert allerdings nur, wenn unser Körper dem Pferd zeigen kann, was wir tun möchten. Denn das, was das Pferd definitiv nicht kann, ist, unsere Bewegungen zu deuten, wenn die „Aussagen“ unseres Körpers undeutlich, missverständlich, schwer zu deuten, sogar gegenläufig oder es antrainierte Bewegungsmuster sind. Das macht Pferde unsicher und nimmt ihnen logischerweise das Vertrauen in die Führungsqualitäten des Menschen. Das Pferd muss nun dauernd rätseln, was der Mensch meint, zum Beispiel wenn die Beine des Menschen das Pferd permanent „treiben“ und die Hand und der Rücken des Menschen zur gleichen Zeit eine Vorwärtsbewegung des Pferdes verhindern.

Pauschalrezepte sind beim Pferd kontraproduktiv

Wenn wir mit dem Pferd ein langfristiges, überzeugendes „Beziehungsnetz“, also eine Bindung aufbauen wollen, die sogar die außergewöhnliche Belastung des Pferdekörpers beim Reiten in positive Bahnen lenkt, müssen WIR an unserer Kommunikation feilen und nicht das Pferd dafür in die Verantwortung holen – das läuft am Ende eines jeden Tages – schief.

Immer, wenn der Mensch die feine Kommunikation seines Körpers nicht beherrscht, greift er auf ein komplett „unpferdisches“ Verhalten zurück – die das Pferd nicht versteht – es ist eine vollkommen einseitige „Ausbildung“ und „Erziehung“ des Pferdes – mit der der Mensch seine Kommunikationsmängel und sein mangelndes Körpergefühl kompensieren will.

Bei solchen „Ausbildungen“ MUSS das Pferd mit SEINEM Körper lernen, was der Mensch nicht kann – und was auch das Pferd nie können kann, weil der Mensch bei dieser einseitigen Ausbildung – die viel eher eine anpassende Formung des Pferdekörpers ist – eben auch nicht beherrscht, die angeformten Bewegungen wieder abzurufen. Zurück bleiben ein unglückliches Pferd und ein unzufriedener Mensch. Das ist kein Reiten…

Lernen durch die Sinne

Es wird so langsam eng für die Befürworter der antrainierten Pferdeformung. Denn Fakt ist, dass Pferde durch die Beobachtung der menschlichen Bewegungen nicht nur viel schneller lernen als mit anderen „Methoden“, sondern das Erlernte auch dauerhaft für den Menschen „abrufbar“ wird, weil der Pferdkörper es selbst entwickelt hat und dadurch immer wieder selbst anbietet.  Das Reiten hat DANN keine schädigenden Folgen im Körper, wenn sich das Pferd im Kontakt mit uns Menschen körperlich verbunden fühlt und sich dabei wohlfühlen kann. Wenn es uns quasi als „sicheren Hafen“ ansieht.

Weil wir so die körperliche und geistige Entwicklung des Pferdes besser anregen können als die „Natur“, bevorzugt das Pferd den Menschen als Bindungspartner – oft sogar noch vor seinen Artgenossen. Die stabile Bindung, in der das Pferd seine genetisch festgeschriebene Überlebensformel – nämlich die körperliche Weiterentwicklung zu erhalten – kann es in der Beziehung zum Menschen besser als bei Artgenossen bekommen.

5 wesentliche Punkte, mit denen auch das Pferd was vom Reiten hat

  1. Die emotionale Verbundenheit – die steht natürlich über allem. Der Wunsch und die Bereitschaft, sich auf ein Pferd „einzulassen“ muss vorhanden sein (wirtschaftliche Interessen reichen da nicht)
  2. Möglichst täglicher Kontakt – die gemeinsam gestaltete Zeit bestimmt die Beziehung (Satteln und Reiten ist kein Ersatz für den Sozialkontakt)
  3. Wertschätzung und Respekt – ein Pferd hat einen sehr ausgeprägten Gemeinschaftssinn (der überhaupt nichts mit dem „Rang“ zu tun hat)
  4. Wechselseitiges Interesse – das Interesse muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Das heißt, den Menschen muss auch interessieren, wie es dem Pferd geht. Das (ver)führt leider sehr oft zu Interpretationen. Deshalb ist es am besten, man fühlt sich in das Pferd hinein. (Beispiel: wie würde es sich ohne Eisen fühlen, wie fühlt es sich mit Eisen?)
    Ohne gegenseitiges Interesse gibt es keine echte Freundschaft…
  5. Die Handlung: echte „Leitmenschen“ zeigen unbedingten Führungswillen, indem sie sämtliche Aufgaben wahrnehmen, die die Bewegungsentwicklung des Pferdes erhöht und die eine körperliche Verbesserung erzielen und infolge dessen zum inneren Gleichgewicht des Pferdes beitragen.

Übrigens: ein Pferd kann sehr wohl unterscheiden, ob der Mensch ein Mensch ist oder ein angreifendes Tier. Ob er eine Absicht (und welche) mit seinem Tun verfolgt oder nicht. Wir sollten nicht den Fehler begehen, das Pferd mit seinen scharfen Sinnen für blöd zu verkaufen. Pferde tun etwas mit dem Menschen, weil sie Spaß daran haben, mit ihm zu kooperieren. Deshalb sind auch Belohnungen (egal, welcher Art und wie oft) für das Pferd sekundär – und bringen das Pferd zweifelsfrei NICHT aus seinen Bewegungseinschränkungen heraus. Also wozu?

Die Lernvermittlung entsteht beim Pferd nicht in einer Lernwiederholung, sondern in einem körperlichen Austausch. Deshalb können wir keinesfalls auf die Zeit verzichten, die wir für eine ständige Verfeinerung unserer Körperbewegungen brauchen – übrigens eine viel besser genutzte Zeit, als sie in das technische Erlernen des formenden Reitens zu investieren.

Wir müssen dem Pferd schon Nachahmenswertes vorleben und vor-bewegen, nur so haben Reiter UND Pferd etwas vom Reiten. Vor dieser Verpflichtung dem Pferd gegenüber dürfen wir uns nicht drücken, sondern im Gegenteil – wir sollten uns immer wieder dieser Verantwortung stellen. Denn was immer der Mensch tut, er verantwortet stets die Befindlichkeit des Pferdes in seiner Obhut. Und letztendlich deshalb seine Gesundheit.

Die Spezialkurse „Biomotorisches Reiten“

Das BewegungsLernen kann Ihnen dabei helfen, Ihren Weg zu finden, um die körperlichen Bedürfnisse des Pferdes zu befriedigen, aber auch Reitprobleme unter dem Aspekt des Pferdekörpers zu lösen und damit eine natürliche, aber feste Bindung zum Pferd  zu entwickeln. Pferde, die eine sichere körperliche Bindung erleben können, sind sehr gerne dabei, auch unter dem Sattel die Welt zu erkunden. Damit können sie ein viel aktiveres, vielseitiger bewegtes Leben führen und sind ein mitreißender Bewegungs- und Reitpartner bis hinein in die anspruchsvollsten Lektionen der Reiterei.

Sie interessieren sich dafür mit „ihrem Körper“ zu reiten?

Dann sind vielleicht die Spezialkurse „Biomotorisch Reiten“ etwas für Sie – die im Herbst nächsten Jahres als neue Seminarreihe des BewegungsLernens beginnen.

Die Voraussetzung für die Spezialkurse „Biomotorisches Reiten“ ist die Teilnahme an „Körperschulungen für den Menschen“ und „Montagstrainings für das Pferd“ – und damit natürlich ein in seinen biomotorischen Grundlagen, vorbereitetes Pferd.

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